„Wer in den Märchenwald geht, begibt sich in seine inneren Wälder, die ein Bild seines Unterbewussten, seiner Natur sind.“

„Wer sich in der Einsamkeit und der Stille des Waldes aufhalten muss, sich seiner unbezwingbaren Macht aussetzt, erlebt die Angst, verloren zu gehen, stecken zu bleiben, in die Irre zu gehen, nicht mehr heraus zu finden.“

Beide Zitate aus: „Märchenspiegel“, Zeitschrift für internationale Märchenforschung und Märchenkunde, April 1995

In vielen Märchen begeben sich die HeldInnen an wichtigen Punkten im Handlungsstrang in den Wald. Im Wald, der meist als ein unheimlicher, gefährlicher und wilder Ort wahrgenommen wird, findet dann oft ein Prozess der Reinigung, Veränderung oder Reife statt, der Held kommt, gestärkt durch die bestandenen Gefahren und Prüfungen, als „neuer Mensch“; der Junge als Mann, das Mädchen als Frau, der Ratlose als Weiser, der Schwache als Starker wieder heraus.

Der Wald weckt in jedem von uns unterschiedliche Assoziationen. Während für die einen die Dunkelheit, die Fülle der Pflanzen, die Einsamkeit eine Bedrohung darstellen und regelrecht Ängste auslösen, ist der Wald für andere ein Ort der inneren Einkehr, die Dichte der Bäume eine Art Geborgenheit, wie ein natürlich gewachsener Raum, der den Menschen umgibt und die Gedanken nach innen zum Ich, zu den tiefsten Ängsten, Wünschen und Phantasien wandern lässt. Der Wald ist ein Ort, an dem man seinem eigenen Selbst begegnet.

In meiner fotografischen Arbeit beschäftige ich mich mit diesen Wald-Mythen, die ich aus Märchen kenne, mit denen ich mich teilweise schon als Kind, aufgewachsen im Schwarzwald, beschäftigt habe, als der Wald für mich eine unheimliche Bedrohung aber auch gleichzeitig eine unerklärliche Faszination ausübte. Die Märchenwelt verschwamm in meinen Kindergedanken mit der Realität.
Dabei möchte ich den Wald nicht verromantisieren, sondern ihn so darstellen, wie ich ihn wahrnehme.

 

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